Eine alte Mär, überliefert von August Immanuel Wieshoff
Es war einmal, vor vielen langen Jahren, in einer Zeit, als das Wünschen noch half, ein Jüngling, der kehrte aus der weiten Ferne heim nach Sernatingen. Sein größter Wunsch war es, nun endlich die Frau zu freien, nach der er sich seit Jahren schon verzehrte, und die auf ihn zu warten versprochen hatte.
Doch als er eintraf in seinem Dorf, oh weh, musste er feststellen, dass sich ein tiefer Graben zum Nachbardorf aufgetan hatte. So tief, dass er ihn nicht queren konnte, und so breit, dass er ihn kaum umrunden konnte, noch dazu wurde der einzige Weg, der um ihn geführt hätte, am Espasinger Eck von einem Wesen namens Mörlebeck bewacht, das ein wundersam bedrohliches Bild bot. So setzte er sich an die Kante des Grabens, und weinte gar fürchterlich.
Da plötzlich, erschien ihm eine gute Fee, die sein herzergreifendes Schluchzen erbarmt hatte.
Sie sprach zu ihm: „Wandere entlang den Weg des Gießbachs, dort wirst Du finden einen Baum, der trägt viele Kannen, die sich täglich neu füllen. Nehme jede einzelne, und fülle sie in den Graben, und eines Tages wird das Wasser so hoch und so klar sein, dass man den Boden seh! An diesem Tage wirst Du den dann neuen See kreuzen und Deine Geliebte in die Arme schließen können“.
So begann er sein neues Tagwerk, und fortan schleppte er viele Jahre tagaus, tagein viele Kannen Wasser durch das Dorf, und jeden Morgen waren die Kannen erneut gefüllt. Eines Tages, er konnte kaum noch sich erinnern, wann alles begann, blickte er hinab auf den Grund und plötzlich: er sah den Boden! Flugs sprang er auf sein Floss, querte das Wasser, und traf am anderen Ufer auf sein geliebtes Weib! Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute noch glücklich beieinand.
So wisset Ihr nun, wie alles geschah, und wie der See zu seinem Namen kam.
Zurück in die reale Welt: Mittlerweile haben uns viele begeisterte Besucher auf diese eine seltsame Bewertung angesprochen:
„Nix wo man hin muss. Ein Baum, vollgepackt mit Plastikgießkannen, mitten im Wohngebiet.…“
Das ist einerseits sachlich völlig richtig, es ist ein Baum mitten im Wohngebiet, und daran hängen Gießkannen. Dann könnte man aber auch schreiben, die Mona Lisa ist ein Stück Stoff, auf dass jemand Farbe geschmiert hat, und dann den Stoff auf einen Holzrahmen aufgezogen hat.
Der Gießkannenbaum setzt natürlich ein gewisses Verständnis voraus, sei es an Geschichten, an Märchen, oder einfach nur an schönen Dingen; nicht umsonst heißt es im Text: „In einer Zeit, als das Wünschen noch half“.
Auf Google Maps wurde der Ort bis 13.062023 750.000 Mal angeschaut, wir dürften jetzt die Million erreicht haben, auf Tripadvisor ist der Baum auf Platz 5 der Sehenswürdigkeiten, und bei schönem Wetter haben wir täglich Menschen, die mit einem Lächeln auf den Lippen ihren Kindern die Geschichte vorlesen.
So kann jeder für sich selbst entscheiden, ob es einen Besuch wert ist 😉